Der Villenbesitzer von St. Andrä-Wördern. Ein Nachruf.
Transkription: Michael Strasser
Johann Breitwieser gehört sicherlich zu den phantasievollsten Leuten seines Metiers. Und wäre seine Existenz innerhalb des öffentlichen Lebens nicht so gefährlich, man müßte bedauern, daß nun seinem Wirken endgültig ein Ziel gesetzt ist. Denn er war nicht ein gewöhnlicher, plebejischer Einbrecher, sondern eine Figur, die in der Wiener Gaunerschaft vereinzelt ist. Er bewahrte Lokalchronik und Gerichtssaalrubrik vor der ewigen Wiederkehr des Gleichen, er war erfinderisch und in allen seinen Einbrüchen, Diebstählen, Mordversuchen immer eine verwegene, des Verantwortungsvollen ihres Berufs voll bewußte Erscheinung. Und so paßt die Idylle von St. Andrä-Wördern ganz gut in die bunte, von Knalleffekten unruhig belebte Existenz Johann Breitwiesers. Am Strande der Donau, unweit Wiens, kauft er eine Villa und führt durch Wochen das behagliche Leben eines gut situierten Hausbesitzers. Ohne seine Arbeit aufzugeben. Es ist sicherlich viel angenehmer, in St. Andrä-Wördern zu wohnen wenn man in Wien ja ohnedies nur in der Nacht zu tun hat. Die Donauauen sind des Morgens bei der Heimkehr wunderschön, und man kann nach einer anstrengenden Nacht den ganzen Tag angenehm verschlafen. Breitwieser hat sich eine eigene Verbindung St. Andrä-Wördern - Wien gesichert. Die Bahn war ihm nicht verläßlich genug. Streiks konnten seine Arbeit unterbrechen, außerdem war er an Pünktlichkeit gewöhnt und zog es vor nicht unnütz allzu viel Menschen unter die Augen zu kommen. Seine nächtlichen Radpartien nach Wien waren sehr erfolgreich und er war dabei, langsam einen vollständigen Relaisdienst mit Wien einzurichten. Nun hat die Polizei seine Pläne auf hoffentlich längere Zeit vernichtet. Wie Breitwiesers Leben und Taten liest sich auch seine Verhaftung immer wieder wie ein spannendes Kapitel einer sensationellen Kriminalgeschichte. Ein förmlicher Generalstabsplan wurde ausgeheckt, um Breitwieser, der ja derartige Fälle in seine Kombination gezogen hatte, wieder in die Hände zu bekommen. Mit Autos, Polizeihunden, Revolvern inszenierte die Wiener Polizei einen Film, der für jede Fabrik unbezahlbar gewesen wäre. Und die Tatsachen der Verhaftung bewiesen, daß das polizeiliche Aufgebot nicht übertrieben war. Denn Breitwieser war auch diesmal auf der Hut und flüchtete. Erst eine Kugel, die Lunge streifend, hinderte ihn, abermals zu entkommen. Nun „hat“ ihn endlich die ewige Polizei. Bisher fand Breitwieser noch aus jeder eisernen Tür den Weg ins Freie. Wenn man ihn auch hundertmal verurteilte. So lange er nicht den letzten Tag seiner zehn oder fünfzehn Jahre abgesessen durfte sich keine irdische Gerechtigkeit rühmen, im Kampf mit Breitwieser der stärkere Teil gewesen zu sein. Im Keller seiner Villa fand man eine Fabrik von Einbruchswerkzeugen, moderne Maschinen, Sauerstoffgebläse, Komplizen wohnten mit ihm. Man wird den einen oder anderen begabten Schüler in Gewahrsam bringen. aber der Geist Breitwiesers lebt in seiner sozialen Sphäre weiter. Warum sollten die Einbrecher die Villen, in denen sie sonst nur ungebetene Gäste waren, nicht selber bewohnen und von ihren minder gut situierten Kollegen bestohlen werden? Damit sie wissen, wie angenehm das ist.