Einer von der Breitwieser-Platte.
Transkription: Michael Strasser
Wie gemeldet, hatte sich der 23jährige Markthelfer Josef Kucera vor dem Landesgerichte wegen versuchten Mordes zu verantworten.
Die Verhandlung wurde vom Vorsitzenden Landesgerichtsrat Dr. Kämpf kurz nach halb 10 Uhr eröffnet, als Verteidiger des Angeklagten fungierte Dr. Ferdinand Melbinger.
Der Angeklagte erklärte sich heute nichtschuldig. - Präs.: Was haben Sie denn eigentlich gearbeitet? - Angekl.: Ich war Markthelfer und habe dreimal in der Woche 40 Kronen verdient. - Präs.: Aber in der letzten Zeit hatten Sie ein anderes Geschäft und zwar bei Nacht. Ein Geschäft, zu dem man solche Werkzeuge braucht. - Der Präsident zeigt dem Angeklagten mehrere Einbruchswerkzeuge, die dem Kucera bei der Verhaftung abgenommen wurden. - Präs.: Sie haben fünf Brüder. - Angekl.: Ja, drei sind im Felde. - Präs.: Und die beiden anderen werden wegen schwerer Verbrechen verfolgt, der Karl wegen Mordes und der Leopold wegen Mordversuches. - Angekl.: Von den Zweien weiß ich jetzt nichts. - Präs.: Sie waren doch dabei, wie der Leopold auf einen Wachmann geschossen hat, auch der Breitwieser war damals in Ihrer Gesellschaft. - Angkl.: Mit dem Breitwieser habe ich nicht weiter verkehrt, er ist damals zufällig zu uns gekommen.
Der Angeklagte erzählt dann, daß er am 16. Februar morgens am Markte gearbeitet und dann den Graczoll getroffen habe, mit dem er einige Gast- und Kaffeehäuser besuchte. Sie trafen dann den Schachinger und den Weber und zechten mit ihnen weiter. Als sie in das Gasthaus Kothbauer kamen, war er, Angeklagter, bereits sehr stark betrunken, an die weiteren Vorfälle beim Erscheinen der Wache könne er sich nicht mehr erinnern. - Präs.: Woher hatten Sie den Revolver und die Einbruchswerkzeuge? - Angekl.: Den Revolver hatte mir der Graczoll zum Aufheben gegeben, die Sperrhaken muß mir im Gasthause wer zugesteckt haben, weil ich sie früher nicht gehabt habe. - Präs.: Haben Sie geschossen, als die Wache Sie visitiert hat? - Angekl.: Ich weiß von gar nichts. Ich bin erst im Spital wieder zu mir gekommen, weil ich bei der Rauferei auch angeschossen worden bin.
Die vernommenen Zeugen geben im wesentlichen an, daß sich der ganze Vorfall sehr rasch abgespielt habe, doch sie die Darstellung der Anklageschrift richtig, zweifellos habe Kucera einigemale geschossen, um sic die Wachorgane vom Leibe zu halten.
Die Geschworenen, Obmann Herr Franz Watzl, bejahten nach kurzer Beratung die Schuldfragen auf versuchten Mord und Übertretung des Waffenpatentes mit zwölf Stimmen. Auf Grund dieses Verdiktes verurteilte der Gerichtshof Josef Kucera zu neun Jahren schweren Kerkers.