Verhaftung des Einbrechers Breitwieser.
Eine wilde Jagd nach dem Verfolgten.
Transkription: Michael Menedetter
Wie von einem Alp befreit, kann die Bevölkerung aufatmen; der berüchtigte Einbrecher Johann Breitwieser, auf dessen Verhaftung erst jüngst eine Prämie von 1000 Kronen ausgesetzt worden ist, ist gestern vormittags auf der Schmelz von Polizeiagenten verhaftet worden, ohne, daß es, wie man befürchten mußte, bei der Anhaltung zu Blutvergießen gekommen wäre. Der Name Breitwieser reiht sich würdig den Namen berüchtigter Räubertypen an. Und umso erfreulicher ist die Nachricht von seiner Festnahme, die hoffen läßt, daß der Mann für lange Zeit nicht mehr in die Lage kommen wird, der Sicherheit der Stadt gefährlich zu werden.
Johann Breitwieser ist ein Wiener, 27 Jahre alt, etwas über mittelgroß, dabei stämmig und breitschulterig. Seine Züge verraten eine gewisse Intelligenz; nur der stechende Blick seiner Augen gerührt unangenehm und seine schmalen zusammengekniffenen Lippen verleihen dem Gesichte den Ausdruck wilder Entschlossenheit. Von Jugend an bis in den Grund verdorben, hat Breitwieser im Laufe der Jahre Werte von mehr als einer Viertelmillion zusammengestohlen. Er hat nur in Wien sein Revier gesucht. Als er nach langen Mühen einmal verhaftet wurde, spielte er den „wilden Mann“ und wurde tatsächlich als geisteskrank nach dem Steinhof gebracht, aus dem er aber am 17. Juli vorigen Jahres entkam. Länger als zwei Monate trieb er sich hier herum und verübte neuerdings Einbrüche mit dem in der vorigen Woche verhafteten Leopold Kucera und dem gleichfalls berüchtigten Wenzel Kopecky.
Am 27. August v. J. traf er im Hotel Bauer in der Graumanngasse mit Polizeiorganen zusammen und gab auf sie mehrere Schüsse ab, ohne sie zu verletzen. Er entkam aber. Einige Tage nachher wurde er in der Hollergasse nach verzweifelter Gegenwehr verhaftet und dem Gerichte eingeliefert, das gegen ihn wegen mehrfacher Einbrüche mit einer 150.000 Kronen übersteigenden Schadensumme die Untersuchung führte. Vor Abschluß der Untersuchung ist Breitwieser aber am 24. November v. J. aus dem Arreste abermals entsprungen und seither konnte er nicht festgenommen werden. Am 13. Jänner l. J. traf er in der Hohenberggasse in Meidling mit einer Militärpatrouille zusammen und entzog sich nach einem Revolverkampf abermals der Festnahme. Am 26. Jänner gab er drei Schüsse gegen den Sicherheitswachmann Salamon ab, der ihn in der Niederhofstraße festnehmen wollte. Am 8. Februar hatte die Polizei wieder eine Begegnung mit dem gefährlichen Verbrecher, als er in der Mollardgasse 76 bei einem Mechaniker ein zur Reparatur übergebenes Motorrad abholen wollte. Man hatte davon Wind bekommen, daß Breitwieser dort ein Rad stehen habe, und ein Polizeiagent hatte die Verkleidung eines Gehilfen des Mechanikers gewählt, während eine Anzahl anderer in der Umgebung geheim postiert war; aber Breitwieser hatte auf den ersten Blick die Falle erkannt und seinen Revolver gezogen.
Er gab mehr als zwanzig Schüsse gegen die Polizeiagenten ab und entkam abermals. Durch einen der Schüsse wurde der Polizeiagent Gunnacker ernst verletzt. Einige Tage später vollführte Breitwieser in einem hiesigen Geschäftshause einen Einbruch mit beträchtlicher Beute. Durch die auf dem Tatorte gefundenen Fingerspuren wurde er durch das Erkennungsamt als der Täter erkannt. Zuletzt wurde Breitwieser am 26. v. M. in der Marxergasse gesehen, als er in das Haus Nr. 52 gehen wollte. Auch diesmal gab er gegen seine Verfolger eine Anzahl Schüsse ab und entkam abermals.
Wie die Festnahme erfolgte.
Gestern vormittags ist es endlich gelungen, den seit längerer Zeit gesuchten, gefährlichen Einbrecher Johann Breitwieser auf der Schmelz zu verhaften. Gegen halb 10 Uhr vormittags bemerkten ein Polizeiagent und ein Korporal der Militärpolizei den Verfolgten, als dieser das Haus in Dreyhausenstraße 40 verließ. Es ist dies dasselbe Haus, in welchem auch der zum Tode verurteilte und entsprungene Einbrecher König, der vorgestern verhaftet wurde, sich aufgehalten hatte. In diesem Hause hatten ferner die Mitschuldigen Breitwiesers Wessely und Kerschbaumer ihrerzeit Unterstand gehabt.
Der Polizeiagent und der Korporal der Militärpolizei machten sich sofort an die Verfolgung. Breitwieser, der das bemerkte, zog einen Revolver und gab mehrere Schüsse gegen die beiden Wachorgane sowie auch gegen einen Inspektor der Sicherheitswache ab, der sich der Verfolgung anschloß. Nun beann eine wilde Jagd nach dem Verfolgten, der glücklicherweise ohne zu treffen, immerfort nach rückwärts schoß, während auch die Verfolger von ihren Schußwaffen Gebrauch machten und ihm Schüsse nachsandten, ebenfalls ohne ihn zu treffen. Eine große Menschenmenge schloß sich an; in wilder Flucht ging es durch mehrere Straßenzüge, an der Gummifabrik der Semperitwerke vorbei, der Schmelz zu, über Felder und Wiesen, die Polizisten dem Fliehenden immer hart auf der Ferse. Breitwieser blieb einen Augenblick wie erschöpft stehen und schon glaubten die Verfolger seiner habhaft zu werden, als er neuerdings tief Atem schöpfend aus neue die Flucht, in regellosem Zickzack über die Schmelz begann, indem er noch ungefähr zwanzig Schüsse aus zwei Revolvern, die er bei sich hatte, abgab. Dann eilte er in die Richtung des Erzherzog Rainer-Spitals weiter. Hier konnte er endlich nächst der Totenkammer des Spitals vor Erschöpfung nicht weiter. Man sah, wie ihm der Atem ausging, wie er zu taumeln begann, und plötzlich zu Boden stürtzte.
Noch suchte er sich mit Händen und Füßen zu wehren, bis er überwältigt und zum Kommisariat Rudolfsheim in der Tannengasse gebracht wurde. Eine zahllose Menschenmenge folgte; die Leute stießen Verwünschungen gegen ihn aus und wollten ihn, da er den Leuten wieder Beschimpfungen zurief, lynchen. Den Polizeiorganen gelang es indessen, die Menge davon abzuhalten.
Beim Kommissariat Rudolfsheim wurde er durch den Bezirksleiter Polizeirat Rauscher einvernommen. Revolver und Patronen, die er noch besaß sowie ein scharfgeschliffenes Messer waren ihm vorher schon abgenommen worden. Nach Abschluß der Einvernahme wurde er in einem eigenen Zellenwagen in das Polizeigefangenenhaus auf der Elisabethpromenade gebracht und hier dem Vorstand des Sicherheitsbureaus Polizeirat Dr. Schulz vorgeführt. Unter sicherer Bedeckung und besonderen Vorsichtsmaßregeln wurde er sodann in einer eigenen Zelle des Gefangenenhauses untergebracht und besondere Maßnahmen getroffen, um ein abermaliges Entweichen hintanzuhalten. Nach Abschluß der Erhebungen wird Breitwieser dem Garnisonsarrest eingeliefert werden. Die Erhebungen nach seinen letzten Unterstand werden fortgesetzt. Auch eine größere Summe Bargeld wurde bei ihm vorgefunden und beschlagnahmt.