Wiederverhaftung des Einbrechers Breitwieser.
Als Hausbesitzer in St. Andrä-Wördern.
Transkription: Michael Strasser
Der gefährliche Einbrecher Johann Breitwieser, der zu wiederholten Malen in Haft war und immer wieder aus den Gefängnissen ausbrach, gegen ihn verfolgende Polizeiorgane Revolverschüsse abgab und einzelne von ihnen dadurch schwer verletzte, wurde gestern wieder verhaftet. Seit seiner aufsehenerregenden Flucht aus einer Einzelzelle des Wiener Landesgerichtes war er von der Bildfläche verschwunden und man wußte nicht, wo er ein Versteck gefunden. Nun ist es aber in den letzten Tagen gelungen, festzustellen, daß dieser gefährlichste Verbrecher, den die Wiener Kriminalgeschichte kennt, sich in St. Andrä-Wördern bei Wien verborgen hielt. Er hatte dort vor nahezu zwei Monaten schon mit Hilfe seiner Geliebten und einiger Mitglieder seiner Einbrecherbande ein kleines Häuschen erworben und in diesem lebte er zurückgezogen und unerkannt. Gestern aber ist es deinem Beamten des Wiener Sicherheitsbureaus, der sich in Begleitung mehrerer Polizeiagenten nach St. Andrä begeben, gelungen, des Verfolgten wieder habhaft zu werden und ihn festzunehmen. Breitwieser versuchte zu flüchten, er wurde aber verfolgt und durch einen Schuß, den ihm seine Verfolger nachfeuerten in die Lunge nicht unbedenklich verletzt. Der Verletzte wurde noch gestern mittels Automobils nach Wien gebrachte und hier dem Inquisitenspital übergeben.
Eine ganze Legende hat sich bereits um Johann Breitwieser gebildet, der mit seiner Bande im Verlaufe der letzten zwei Jahre die aufsehenerregendsten Einbrüche mit einer Schadenssumme verübt hat, welche in die Millionen geht. Wenn es dann nach mühevollen Erhebungen und gefährlichen Beobachtungen endlich gelungen war, seiner habhaft zu werden, so hat er es immer verstanden, aus dem noch so wohlverwahrten Arrest zu entspringen. Gewöhnlich trug er zwei und auch drei Revolver bei sich und ergab sich nicht früher, als noch ein Schuß in seiner Waffe war und er keinen Ausweg mehr sah, um zu entkommen. Als er nach einer solchen aufregenden Verfolgung das vorletzte Mal verhaftet wurde, erklärte Breitwieser bei der Einvernahme, daß er wohl wieder ausbrechen werde, da er ein Blutbad unter den Polizeiagenten anrichten und mit der letzten Kugel sich selbst töten werde. Trotzdem er in einer Einzelzelle angekettet war, gelang es ihm, mit Hilfe von Mitschuldigen zu fliehen. Mit einer Feile, die man ihm zugeschmuggelt hatte, durchsägte er die eisernen Kettenglieder seiner Fesseln, dann durchbrach er die Gitterstäbe seines Fensters, ließ sich an dem Leintuch in den Hof hinab, und da dieses nicht bis zur Erde reichte, sprang er dann auf einen Strohhaufen, der eben in dieser Nacht unter dem Fenster seiner Zelle im Hofe des Gerichtsgebäudes sich befand. Hierauf kletterte er an einem Blitzableiter wieder an dem Trakte empor, in dem sich die Kanzleien befinden, zog in einem Amtszimmer, in welchem sein Mitschuldiger die hiehergeschmuggelten Kleider verwahrt hatte, diese an und flüchtete am frühen Morgen aus dem Gerichtsgebäude.
Seither sind Monate vergangen und Breitwieser blieb verschollen. Das Sicherheitsbureau glaubte Grund zur Annahme zu haben, daß sich Breitwieser in der Umgebung von Wien verborgen halte, und Montag abend endlich wurde festgestellt, daß sich der Schlupfwinkel des gefährlichen Verbrechers in St. Andrä-Wördern befinden soll. Gestern wurde nun Kommissär Dr. Wegl, der Einbruchsreferent des Sicherheitsbureaus, mittels Automobils nach St. Andrä entsendet. In seiner Begleitung befanden sich der Hundeführerinspektor Schödl mit dem bewährten Polizeihund „Ferro“ und einige unsrer tüchtigsten Polizeiagenten unter der Führung der Inspektoren Inkward und Bindl, die schon wiederholt im Kampf mit Breitwieser gestanden sind. Weit außerhalb des Ortes hielt das Polizeiautomobil und vorsichtig wurden dann im Orte selbst Erhebungen gepflogen. Man erfuhr hier nun, daß ein gewisser Rudolf Schier Anfang Februar ein mitten im Orte stehendes kleines Bauernhäuschen in der Riegergasse Nr. 5 um den Kaufpreis von 28,000 K. erworben hatte und hier mit einigen Angehörigen wohne. Man näherte sich dem Häuschen vorsichtig, aber trotz aller angewandten Vorsicht scheint Breitwieser dennoch seine bevorstehende Verhaftung befürchtet zu haben. Die Polizeiorgane sahen nämlich, wie er im Hofe seines Häuschens stand, wo er eben sein Fahrrad instand gesetzt hatte, augenscheinlich, um damit das Weite zu suchen. Wegen der besonderen Gefährlichkeit des Verfolgten nahmen die Polizeiorgane ihre Revolver zur Hand, und mit dem Rufe „Hände hoch!“ stürmten sie in den Hof. Breitwieser hatte aber seine Kaltblütigkeit nicht verloren, und da ihm der Weg zur Flucht mit dem Fahrrade durch das Tor abgeschnitten war, überkletterte er die Planke, welche das von ihm gekaufte Häuschen von dem Nachbargehöfte trennt. Die Polizeiorgane setzten ihm nach und feuerten auch mehrere Schüsse nach dem Fliehenden der trotzdem über die Planke entkam. Der Polizeihund „Ferro“ überkletterte aber ebenfalls die Planke, die Polizeiorgane folgten und es begann eine wilde, aufregende Jagd, bei welcher aber Breitwieser plötzlich den Augen seiner Verfolger entschwand. Der Hund hatte aber sofort seine Spur wieder gefunden und eilte in einen Schuppen, in welchem Breitwieser sich tatsächlich zu verbergen suchte. Wieder wurden ihm Schüsse nachgesendet und mit einem Aufschrei stürzte der Getroffene zusammen. Gleich drauf rief er aus: „Nicht schießen, ich ergebe mich!“ Nun erst konnte er festgenommen wurde.
Mittlerweile hatten andre Amtsorgane das Haus durchsucht, und hier wurden der Bruder des Bandenführers, der nicht minder gefährliche Einbrecher Karl Breitwieser, festgenommen sowie Anna Maxian, die Geliebte des Johann Breitwieser, Rudolf Schier, der ebenfalls im Hause gewesen war, hat entkommen können, dagegen wurde dessen Schwester Luise Schier ebenfalls verhaftet. Im Hause fand man eine ganz neue elegante Einrichtung, die erst nach dem Ankaufe des Häuschens angeschafft worden war. Ferner wurden 12,000 K. Bargeld beschlagnahmt. Im Keller des Häuschens hat Breitwieser eine förmliche Werkstätte eingerichtet, in welcher Einbruchswerkzeuge hergestellt werden sollten. Dem Verletzten wurde durch den Gemeindearzt ein Verband angelegt, worauf er nach Wien in das Inquisitenspital des Landesgerichtes gebracht wurde. Auch seine verhafteten Mitschuldigen wurden nach Wien überführt.