Johann Breitwieser Breitwieser-Schani

Flucht Johann Breitwiesers aus dem Wiener Landesgericht.

Neue Freie Presse, 27. Dezember 1918, Seite 14
Transkription: Michael Menedetter

Dem berüchtigten Verbrecher Johann Breitwieser ist es heute gelungen, aus seiner Zelle im Landesgerichte zu entkommen. Sogleich nach Entdeckung seiner Flucht hat die Polizeibehörde alle Maßnahmen eingeleitet, um seiner habhaft zu werden. Johann Breitwieser ist einer der gefährlichsten Verbrecher, die der Wiener Polizei je zu schaffen gemacht haben. Ein überaus kräftiger und zu jeder Tat entschlossener Bursche, verteidigt er seine Freiheit, wenn es den Kampf mit behördlichen Organen gilt, um jeden Preis. Immer wieder gelingt es dem Verbrecher, zu entkommen.

Johann Breitwieser ist im Jahre 1891 in Wien geboren und Hilfsarbeiter. Er war schon seit seiner Jugend wegen verschiedener Verfehlungen gegen das Eigentum vielfach vorbestraft und als Einbrecher berüchtigt. Mitunter spielte er nach seiner Verhaftung den „wilden Mann“, so daß er in irrenärztliche Beobachtung kam. Im Kriege war er eingerückt, hatte aber auch beim Militär Anstände. Er kam abermals zur Beobachtung nach Steinhof und ist von dort am 17. Juli v. J. entsprungen. Seither hatte er wiederholt Begegnungen mit Polizeiorganen. Jedesmal setzte es harte Kämpfe mit dem Verbrecher, der sich immer in den Besitz von Schußwaffen zu setzen verstand, ab. Am 27. September v. J. wurde er im Hotel Bauer in der Graumanngasse von Polizeiagenteninspektor Bolt betreten. Er schoß auf ihn und auf den Wachmann Fiala mehrmals, ohne beide zu treffen. Fast genau einen Monat danach gelang es, ihn auch nach hartem Kampfe in der Hollergasse zu verhaften. Man wies ihm und seiner Bande eine große Anzahl Einbrüche mit einem hunderttausend Kronen weit übersteigenden Schaden nach. Wieder einen Monat später vermochte er aus der militärischen Untersuchungshaft zu entkommen. Seither suchte man ihn unaufhörlich. Am 26. Januar l. J. schoß er bei einer Begegnung auf den Sicherheitswachmann Ferdinand Salomon. Am 13. Februar hielt ihn und einen zweiten Verbrecher, wahrscheinlich den wegen Mordes verfolgten Leopold Kuschera, der Zugsführer der Militärpolizei Pfaff in der Hohenberggasse in Meidling an. Gegen Pfaff wurde geschossen, doch blieb er unverletzt; aber Breitwieser und sein Begleiter entkamen.

Am 8. März l. J. sollte Breitwieser in einem Mechanikergeschäfte in der Mollardgasse, im dem er eine Reparatur besorgen ließ, verhaftet werden. Er zog den bereitgehaltenen Revolver und verletzte den Polizeiagenten Josef Gunacker am Oberarm schwer. Breitwieser entkam auf die Straße, hielt mit seinem Revolver seine Verfolger in Schach und entkam abermals,, wahrscheinlich durch das Wienflußbett, das er durch Einstieg von einem Kiosk aus zu erreichen vermochte. Belohnungen waren auf seine Kopf ausgesetzt. Andere Verbrecher wurden für Breitwieser gehalten und zahllose Anzeigen liefen ein, die von Begegnungen mit dem berüchtigten Verbrecher zu berichten wußten. Gauner haben sich sogar, um ihre Opfer einzuschüchtern, seinen Namen beigelegt.

Am 24. März l. J. kam es im Gasthause Koci in der Gudrunstraße abermals zu einem Revolverkampf mit der Bande Breitwieser-Kutschera. Mehr als 20 Schüsse wurden gewechselt. Schließlich wurde sein Spießgeselle, der berüchtigte Einbrecher Kutschera verhaftet. Zwei Stunden später gelang es, in einem Gasthause auf der Wiedner Hauptstraße ein anderes Mitglied der Bande, den Einbrecher Wenzel Kopetzky, nach heftigem Kampfe festzunehmen. Am 30. März l. J. gab es dann auf der Praterstraße eine Revolverszene. In der Meinung Breitwieser sitze in einem Café an der Praterstraße, drang eine Patrouille aus Militärpolizei und Wache ein. Da die Aufforderung, die Hände hochzuheben, nicht gleich von allen Gästen ausgeführt wurde, wurde geschossen, wobei ein Mann getötet und zwei andere verletzt wurden.

Am 6. April laufenden Jahres ist es dann abermals nach einem heftigen Revolverkampfe gelungen Breitwieser, der wenige Tage vorher in der Marxergasse auch nachdem er sich mit dem Revolver gewehrt, zu entkommen vermochte, festzunehmen. Auf der Schmelz beim Erzherzog Rainer-Landwehrspital erfolgte seine Festnahme. Er wurde der Militärpolizei übergeben. Wiederholt verbreitete sich seither das Gerücht, er sei entkommen. Ja ein Telegramm aus Salzburg meldete vor einigen Wochen, daß Breitwieser während seiner Eskortierung bei Schwanenstadt aus dem fahrenden Zuge entsprungen sei und schwer verletzt neben dem Geleise aufgefunden wurde. Da Gerücht wahr falsch, denn Breitwieser war nach Neuordnung der Dinge von der Militärbehörde ins Landesgericht gebracht worden. Dort wurde die Untersuchung gegen ihn weitergeführt.

Breitwieser hatte eine Zelle im zweiten Stockwerke des Gerichtsgebäudes und stand unter scharfer Bewachung. Heute nacht ist es ihm trotzdem gelungen, die jedenfalls heimlich schon lange vorbereitete Flucht zu bewerkstelligen. Breitwieser hat mit einem Werkzeuge, das jedenfalls eingeschmuggelt worden ist, die Gitterstäbe seines Fensters durchfeilt und ist aus dem Fenster gestiegen. An dem Blitzableiter ist er dann vom zweiten Stock in das erste Stockwerk hinabgeklettert und hat von dort aus das Freie erreicht. Seine Flucht wurde heute früh bemerkt. Das Polizeipräsidium hat sofort auf seine Ergreifung eine Belohnung von tausend Kronen ausgesetzt.

Breitwieser ist ziemlich groß, mittelstark hat schwarzbraunes Haar und einen dunkelbraunen, englisch gestutzten Schnurrbart. Seine Verfolgung wird eifrigst betrieben.

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