Johann Breitwieser Breitwieser-Schani

Eine Schlacht mit Schwerverbrechern.

Deutsches Volksblatt, 17. Februar 1918, Seite 8
Transkription: Otto Kromer

Schon seit Wochen wurde darüber berichtet, daß es in der letzten Zeit bei Begegnungen mit Schwerverbrechern immer heiß herging und die lokale Chronik wußte schon lange über viele Revolverkämpfe mit Verbrechern zu berichten. Fast in allen Bezirken kamen solche Revolverszenen vor. Mitunter mußte die Wache, die Einbrecher oder verfolgte Schwerverbrecher aufgestöbert hatte, in der Notwehr zur Waffe greifen, noch öfter aber feuerten die zu allem entschlossenen Raufgesellen auf die Wache und bisweilen gab es auf beiden Seiten Verwundete. Die gräßliche Tat eines Wanyek, der vor einigen Jahren, bei einem Einbruche ertappt, mehrere Personen niederschoß, hat besonders in den letzten Monaten viele Nachahmer gefunden, während früher ernste Kämpfe mit Verbrechern selten und ein Ereignis waren. Namentlich zwei Namen von Verbrechern kehrten bei Begegnungen mit der Wache immer wieder, die Namen Kucera und Breitwieser. Beide Namen von berüchtigten und vielbestraften Verbrechern, die oft und oft aus der Haft zu entspringen wußten, und wenn sie Begegnungen mit Verfolgern hatten, sich keinen Augenblick besannen, zu schießen.

Gestern in den späten Nachmittagsstunden wurde nun in der Ullmannstraße in Rudolfsheim eine förmliche Schlacht zwischen Verbrechern und Organen der Sicherheitswache und der Militärpolizei geliefert, bei der es Tote und Verwundete gab. Der Kampf, von einem Gasthause ausgehend, zog sich auf die Straße und glich in seiner Entwicklung ganz der Szenenfolge eines jener Kinofilms, die im Interesse der Jugend mit ihren krassen Effekten für die Jugendvorstellungen verboten sind. Etwa fünfzig Schüsse sollen bei der Schlacht mit den Verbrechern gewechselt worden sein. Die Passanten auf der Straße, die zufällig Zeugen der Schlacht waren, flohen entsetzt und es entstand auf der stark benützten Straße eine förmliche Panik. Wir erfahren über die Szenen, deren Schauplatz die Ullmannstraße im 14. Bezirk war, folgende Einzelheiten: Um die Stadt von dem Gesindel zu säubern, das in en Eingangszeilen charakterisiert ist, werden seit einiger Zeit Streifungen von gemischten Patrouillen der Sicherheitswache und er Militärpolizei durch Gast- und Kaffeehäuser und sonstige öffentliche Lokale unternommen. Gestern bald nach 4 Uhr nachmittags kam eine solche Streifenpatrouille unter Führung des 51jährigen Kontrollinspektors der Sicherheitswache Emil Pawlik, Mariahilf, Mittelgasse 22 wohnhaft, in das Gasthaus des Matthias Kothbauer, Ullmannstraße 6. Dort saßen einige Männer im Schankzimmer. Kaum hatten die Männer die Patrouille erblickt, als sie sich zur Flucht wendeten und Revolver zogen. Ehe noch die Patrouille die Mordgesellen unschädlich machen konnte, krachten Schüsse und von einer Kugel im rechten vierten Zwischenrippenraum getroffen, sank Kontrollinspektor Pawlik zusammen.

Die Wache und die Militärpolizei hatte gleichfalls ihre Revolver gezogen und feuerte auf die Verbrecher, die ihre Freiheit mit Blut erkaufen wollten. Einer der Verbrecher wurde von einer Kugel an der linken Halsseite getroffen und sehr schwer verletzt. Er konnte dingfest gemacht werden. Ein zweiter Übeltäter vermochte schießend die Straße zu erreichen und lief durch die Ullmannstraße. Hinter ihm entwickelte sich eine wilde Jagd und beim Hause Ullmannstraße 15 wurde der Mann von drei Kugeln in der linken Brustseite getroffen und derart verletzt, daß er zu Boden sank; vorher hatte aber der Mann den 24jährigen Korporal des Dragonerregimentes Nr. 3 Leopold Blasel, einen Sohn des Bezirksvorstehers im 2. Gemeindebezirke Dr. Blasel, in den linken Oberschenkel geschossen und ihn schwer verletzt. Nach der Niedermachung des zweiten Verbrechers war der aufregende Kampf zu Ende. Von allen Seiten strömten nun Leute herbei und besprachen erregt die Szenen, deren Zeugen sie aus der Ferne gewesen. In allen Häusern der Umgebung hatten sich die Fenster geöffnet und furchtbar erregt hatte man von den Fenstern aus den Kampf verfolgt. Die Rettungsgesellschaft wurde verständigt. Sie entsendete zwei Ambulanzen mit den Inspektionsärzten Dr. Friedmann und Dr. Strauß. Die beiden Ärzte verbanden den Inspektor Pawlik und brachten ihn in das Sophienspital. Der Verbrecher mit der Halswunde wurde ins Garnisonsspital gebracht. Bei dem Mann mit den drei Brustschüssen wurde nur der Eintritt des Todes festgestellt. Korporal Blasel von der Militärpolizei wurde in das Vereinsreservespital in der Hegelgasse gebracht.

Vom Polizeikommissariat Rudolfsheim fand sich alsbald eine Kommission auf dem Tatorte ein. Auch der Chef des Sicherheitsbureaus, Polizeirat Dr. Schulz, erschien auf dem Schauplatze des gräßlichen Kampfes. In dem einen Verbrecher vermutete man den berüchtigten Mörder Kucera, der wiederholt bei Begegnungen mit der Wache geschossen hat. Wer der andere Mann ist, der durch die drei Schüsse getötet wurde, ist noch nicht bekannt. Die Erhebungen werden fortgesetzt.

Abends wird weiter berichtet: Der Schwerverletzte ist der Einbrecher Josef Kucera, ein Bruder der berüchtigten Verbrecher Karl und Leopold Kucera. Der Getötete ist der gleichfalls berüchtigte Einbrecher Alois Graczohl. Ein dritter ist entkommen. Er ist der 22jährige Markthelfer Josef Weber. Beschrieben wird er als mittelgroß, fast bartlos, untersetzt, mit rundem Gesichte. Er trägt kurzen Überrock von gelber Farbe und braunen weichen Hut.

Auch die Geliebte des Kucera, Josefine Kupinic, wurde im Hause angehalten.

Auf der Seite der Wache wurde außer Inspektor Pawlik, dessen Verwundung sehr ernst ist, und Korporal Blasel auch der Korporal Rudolf Reznicek durch einen Schuß durch die Hand verletzt.

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