Johann Breitwieser Breitwieser-Schani

Einer von Breitwiesers Platte.

Die Neue Zeitung, 28. April 1918, Seite 5
Transkription: Michael Strasser

Vor dem Schwurgericht unter dem Vorsitz des Landesgerichtrates Dr. Kämpf hatte sich gestern der 23jährige Markthelfer Josef Kucera wegen versuchten Mordes zu verantworten. Wie die von Staatsanwalt Dr. Nordegg vertretene

Anklage

ausführt, kamen am 16. Februar nachmittags vier Burschen von denen einer die Uniform eines Infanteristen trug, in Begleitung eines Mädchens in das Gasthaus Kothbauer in der Ullmannstraße in Rudolfsheim. Bald darauf erschien eine Militärpatrouille, begleitet von zwei Wachleuten im Lokal, die auf einer Streifung nach dem gefährlichen Einbrecher und Deserteur Johann Breitwieser begriffen waren. Die Korporale Resnizek und Kindler nahmen im Hausgang Aufstellung, die Korporale Daxböck und Kirchmayer bewachten den rückwärtigen Ausgang des Gastzimmers, der Kontrollinspektor Emil Pawlik, der Oberwachmann Franz Kadane, die Zugsführer Josef Beran und Franz Smertzka sowie der Korporal Leopold Blasel begaben sich in den Schankraum und traten sofort an den Tisch, wo die vier Burschen saßen. Während der Aufnahme des Nationales krachten plötzlich mehrere Schüsse,. Es entspann sich ein erbittertes Handgemenge, währenddem es einem Burschen gelang, auf die Gasse zu flüchten. Dort gab Zugsführer Beran einen Schuß auf ihn ab, und der Flüchtige, es war der von seinem Truppenkörper entwichene Alois Graczoll, brach tot zusammen.

Kucera wehrte sich verzweifelt gegen die Verhaftung, und man sah sofort, daß er zur Abwehr einen Revolver aus der Tasche gezogen hatte. Dem Oberwachmann Kadane gelang es, die rechte Hand des Kucera festzuhalten, in der er den großen Armeerevolver hielt. Trotzdem war es dem Angeklagten möglich, noch mehrere Schüsse abzugeben. Eine Kugel ging durch den Mantel in die Bluse des Kadane ohne in zu verletzen. Nun gelang es dem Wachmann, dem Kucera einen Stoß zu versetzen, daß er zu Boden fiel. In diesem Augenblick fiel wieder ein Schuß, und de Kugel ging in nächster Nähe an dem Kopf des Wachmannes vorüber in die Wand. Jetzt stürzte sich auch Korporal Resnizek auf Kucera und wurde beim Ringen durch zwei Schüsse an der rechten Hand verletzt. Inspektor Pawlik, der gleichfalls eingegriffen hatte, erhielt in dem Kampf einen Schuß, der durch die Achselhöhle ging, den Brustraum durchbohrte und die Lunge verletzte. Wie festgestellt wurde, hatten auch der mit Kucera im Gasthaus sich befindliche Markthelfer Josef Weber sowie Graczoll Revolver bei sich getragen, allein niemand hat gesehen, daß Weber geschossen hätte, und der Zweitgenannte war sofort nach Eintritt der Patrouille geflüchtet. Auch war der Revolver, den Graczoll getragen, nur mit blinden Patronen geladen. Der vierte der Burschen, der Militärflüchtling Leopold Schachinger, hatte keine Waffe getragen.

Josef Kucera hat bereits im 18. Lebensjahre die erste Strafe wegen Diebstahls erlitten. Schon damals war er als gewalttätiger Bursche bekannt, verübte Einbruchsdiebstähle und wurde auch eine Zeitlang in der Zwangsarbeitsanstalt in Korneuburg angehalten. Als am 26. Jänner d. J. sein Bruder Leopold Kucera bei der Verhaftung auf einen Wachmann einen Schuß abgab, war nicht nur der Beschuldigte, sondern auch der oft genannte und berüchtigte Breitwieser in seiner Gesellschaft.

Josef Kucera leugnete in der Untersuchung jedes strafbare Verschulden.

Die Verhandlung

Der Angeklagte, ein großer schmächtiger Bursche, der eigentlich recht harmlos und dabei intelligent aussieht, erklärte sich heute nichtschuldig. - Vors.: Was haben Sie denn eigentlich gearbeitet? - Angekl.: Ich war Markthelfer und habe dreimal die Woche 40 Kronen verdient. - Vors.: Aber in der letzten Zeit hatten Sie ein anderes Geschäft, und zwar bei Nacht. Ein Geschäft, zu dem man solche Werkzeuge braucht. Der Vorsitzende zeigt dem Angeklagten mehrere Einbruchswerkzeuge, die dem Kucera bei der Verhaftung abgenommen wurden. - Vors.: Warum sind Sie denn das letztemal bestraft worden? - Angekl.: Weil ich meine Geliebte gestochen habe. - Vors.: Sie haben fünf Brüder. - Angekl.: Ja, drei sind im Feld. - Vors.: Und die beiden anderen werden wegen schwerer Verbrechen verfolgt; der Karl wegen Mordes und der Leopold wegen Mordversuches. - Angekl.: Von den Zweien weiß ich jetzt nichts.

Der Angeklagte wurde zu neun Jahren schwerem Kerker verurteilt.

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