Zeugen in Ketten.
Transkription: Michael Strasser
Unter einem großen Aufgebot von Militärwache wurden gestern die vier „schwersten“ Wiener Einbrecher, Breitwieser, König (der „Einbrecherkönig“), Kerschbaum und Treibel, in Ketten dem Landwehrdivisionsgericht vorgeführt, um in einer Verhandlung gegen den der Mitschuld an mehreren Diebstählen und der Desertion angeklagten Franz Wessely als Zeugen auszusagen. Bei den Nachforschungen nach dem durch Masseneinbrüche und durch Schießereien bekannten und gefürchteten Breitwieser fand man in der Wohnung Wesselys, den man als einen Kumpan Breitwiesers feststellte, außer wertvollen Seidenstoffen einen Rucksack mit den erlesensten Einbruchswerkzeugen, die die moderne Technik hervorzubringen vermag, ja eine förmliche Bohrmaschine, verschieden „Franzosen“ (Rapidstemmeisen), von denen man annahm, daß sie Breitwieser gehören. Bei der Verhandlung wollte jeder der vier gefesselten Zeugen die Urheberschaft an den Einbruchsdiebstählen, an deren mehr oder weniger entfernter Mitschuld Wessely angeklagt war, auf sich nehmen; sie rivalisierten förmlich um die Täterschaft. Breitwieser gab zu, dem Wessely einen Rucksack mit Einbruchswerkzeugen übergeben zu haben, behauptete aber, daß Wessely nicht gewußt habe, daß Einbruchswerkzeuge darin sind. - Verhandlungsleiter Hauptmann-Auditor Dr. Klang: Was hätte er sonst annehmen sollen? - Breitwieser: Es hätten ja auch Lebensmittel im Rucksack sein können. - Vors.: Einbruchswerkzeuge soll er als Lebensmittel angesehen haben? - Breitwieser: Einbruchswerkzeuge sind im Grunde genommen auch Lebensmittel. (Große Heiterkeit.) Wessely wurde zu zwei Jahren schweren Kerkers verurteilt. Er brach in Tränen aus und bat um Strafaufschub, um an die Front geschickt werden zu können.