Johann Breitwieser Breitwieser-Schani

Die Unsicherheit in Wien.

Reichspost, 7. April 1918, Seite 8
Transkription: Michael Menedetter

Die Verhaftung des Breitwieser.

Durch die Verhaftung einer Reihe gefährlicher, von ihren Schußwaffen gegen den Verfolger sogleich Gebrauch machender Schwerverbrecher, nun auch des geradezu gefürchteten Breitwieser, hat die Wiener Sicherheitswache, und zwar mit Unterstützung der Militärpolizei harte Kämpfe von ziemlich langer Dauer endlich zu ihren Gunsten entschieden. Das gewalttätige Verbrechertum ist trotz des Terrors vor allem dank der aufopfernden Haltung unserer Wachleute unterlegen.

Eine gefährliche Neuerung hatte sich bei den Wiener Verbrechern bemerkbar gemacht: Sie hatte sich mit Schußwaffen von bester Beschaffenheit versehen, guten Revolvern und Browningpistolen, so daß sie in ihrer Ausrüstung unseren Sicherheitsorganen im Kampfe mindestens gleichwertig gegenüberstanden. Im Augenblicke der Gefahr machten sie schonungslos und brutal sogleich von ihren Waffen Gebrauch, sie schossen auf den Wachmann, der einen von ihnen zur Ausweisleistung anhielt, sie wehrten sich gegen die Verhaftung mit allen Mitteln. Vor 14 Tagen erst tobte in Favoriten eine förmliche Schlacht, als die Sicherheitsorgane eine Verbrechergesellschaft in einem Gasthause ausheben wollten. Im Verlaufe der Verfolgung eines dieser Burschen sind in den Straßen dieses Bezirkes nicht weniger als 28 Schüsse gefallen. Der „König“ unter den Gewalttätern Wiens war jener Breitwieser, ein in der jüngsten Zeit vielgenannter Mann, ähnlich dem Mörder „mit dem Havelock“ und anderen „berühmten Raubmördern“. Warnend vermerkte der Steckbrief, der hinter dem gefährlichsten der Verbrecher erlassen worden war, „daß der Breitwieser sofort schieße“, wenn ihm Gefahr drohe, wenn seine Verhaftung bevorstehe, und die Ergreiferprämie von 1000 Kronen, die die Polizei aussetzte, war nicht niedriger als die Prämie für die Ausforschung eines Raubmörders. Ueberraschend schnell ist nach der Ausschreibung der hohen Belohnung für die Ergreifung des Breitwieser der „Schrecken Wiens“ dingfest gemacht worden. Und wenn er nicht wieder, wie letzthin aus dem Militärarrest (die meisten der gewalttätigen Verbrecher dieser Gattung sind, nebstbei bemerkt, Kriegsteilnehmer gewesen und später desertiert), entweicht, so kann angenommen werden, daß der wirkungsvolle Kampf der Wiener Sicherheitsorgane gegen die Revolverhelden und Terroristen mit einem entscheidenden Siege abgeschlossen hat. Denn außer dem Breitwieser sind ja noch etliche andere schwere Burschen in der allerjüngsten Zeit unschädlich gemacht worden.

In Ergänzung unserer Mitteilung in der Nachmittagsausgabe der „Reichspost“ sei über die Verhaftung des Breitwieser noch berichtet: Heute vormittag bemerkten ein Polizeiagent und ein Korporal der Militärpolizei den Verfogten, als er das Haus in der Dreyhausenstraße 40 verließ. Es ist dies dasselbe Haus, in welchem der zum Tode verurteilte und entsprungene Einbrecher König, der gestern verhaftet wurde, sich aufgehalten hatte. Dort hatten ferner die Mitschuldigen Breitwiesers, Wessely und Kerschbaumer, ihrerzeit Unterstand gehabt. Der Polizeiagent und der Korporal der Militärpolizei machten sich sofort an die Verfolgung. Breitwieser, der dies bemerkte, zog seinen Revolver und gab mehrere Schüsse gegen die beiden Wachorgane sowie auch gegen einen Inspektor der Sicherheitswache ab, der sich der Verfolgung anschloß. Nun begann eine wilde Jagd nach dem Verfolgten, der glücklicherweise ohne zu treffen, immerfort nach rückwärts schoß, während auch die Verfolger von ihren Schußwaffen Gebrauch machten und ihm Schüsse nachsandten, ebenfalls ohne zu treffen. Eine große Menschenmenge schloß sich an. So ging es durch mehrere Straßenzüge, an der Gummifabrik vorbei, der Schmelz zu, über Felder und Wiesen. Die Polizisten dem Fliehenden immer hart auf der Ferse. Breitwieser blieb einen Augenblick erschöpft stehen, und schon glaubten die Verfolger seiner habhaft zu werden, als er neuerdings die Flucht im Zickzack über die Schmelz begann, indem er nach ungefähr zwanzig Schüsse aus zwei Revolvern abgab. Dann eilte er in die Richtung gegen das Erzherzog-Rainer-Spital weiter. Hie konnte er endlich nächst der Totenkammer des Spitals vor Erschöpfung nicht weiter. Man sah, wie er zu taumeln begann und zu Boden stürzte. Noch suchte er sich mit Händen und Füßen zu wehren, bis er endlich überwältigt und zum Kommissariat Rudolfsheim in der Tannengasse gebracht wurde. Eine zahllose Menschenmenge folgte; die Leute stießen Verwünschungen gegen ihn aus und wollten ihn, da er den Leuten Beschimpfungen zurief, lynchen. Bei dem Verhafteten fand man außer Revolvern, Patronen und einem scharfgeschliffenen Messer eine größere Summe Bargeld. Breitwieser wird in einer besonderen Zelle vom Sicherheitsbureau auf der Elisabethpromenade verwahrt und später, da er Deserteur ist, dem Garnisonsarreste übergeben werden.

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