Johann Breitwieser Breitwieser-Schani

Eine tiefunglückliche Mutter.

Neue Freie Presse, 9. April 1918, Seite 8
Transkription: Michael Menedetter

Die aufgeregte Jagd nach dem schweren Verbrecher Breitwieser, der jetzt endlich verhaftet wurde und der nun in Arrest abermals den Irrsinnigen spielt, um seine Abgabe an den Steinhof zu erreichen, hat, wie erinnerlich, zu Mißverständnissen geführt, bei denen Unbeteiligte zu Schaden kamen. Als man in einem Leopoldstädter Kaffeehause in einem reichdeutschen Soldaten und seinen Begleitern den berüchtigten Breitwieser zu sehen glaubte, wurde der vermeintlichen Gegenwehr durch Revolverschüsse begegnet. Bei dieser Szene wurde auch der Deutschmeisterinfanterist Josef Rosenfeld getroffen, schwer getroffen, so schwer, daß er trotz der sorgsamsten Pflege im Garnisonsspital leider nicht zu retten war. Gestern wurde der Unglückliche begraben. Aber auch die Mutter des jungen Soldaten ist ein Opfer der Breitwieser-Aufregung geworden. Die siebzigjährige Frau, die im vorigen Jahre ihren Gatten und ihren älteren Sohn zu Grabe brachte, verliert mit diesem Sohne nicht nur ihr einziges überlebendes Kind, sondern auch ihren Erhalter, die letzte Stütze ihres ärmlichen Alters. Josef Rosenfeld war von Beruf Buchbinder, war ein fleißiger Arbeiter und hat seine alte Mutter geliebt und geehrt. Er hätte wohl Sorge und Entbehrung von ihrem Lebensabend ferngehalten. Jetzt fand er unvermutet ein so trauriges Ende und die alte Frau steht allein da. Gewiß wird von Staatswegen vorgesorgt werden, daß die Greisin ihre Unterstützung weiter erhalte. Aber auch unsere mildtätigen Leser, die das Schicksal einer so tief beklagenswerten Mutter rühren wird, mögen der Unglücklichen gedenken. Frau G. Rosenfeld wohnt im 2. Bezirk, Kleine Schiffgasse 20, 3. Stock.

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