Johann Breitwieser Breitwieser-Schani

Eine Einbrecherschlacht.

Arbeiterzeitung, 28. Juli 1918, Seite 8f
Transkription: Michael Strasser

Am Nachmittag des 16. Februar d. J. kamen vier Burschen, von denen einer die Infanterieuniform trug, und ein Mädchen in das Gasthaus Kothbauer in der Ullmannstraße in Rudolfsheim. Bald darauf erschien eine Militärpatrouille, die auf einer Streifung nach dem gefährlichen Einbrecher und Deserteur Johann Breitwieser begriffen war. Die Korporale Resnizek und Kindler blieben im Hausgang, die Korporale Daxböck und Strohmayer bewachten den hinteren Ausgang des Gastzimmers, der Kontrollinspektor Emil Pawlik, der Oberwachtmann Franz Kadane, die Zugsführer Josef Beran und Franz Smertzka sowie der Korporal Leopold Blasel gingen in den Schankraum und traten an den Tisch, an dem die Burschen saßen.

Während der Aufnahme der Nationales krachten plötzlich mehrere Schüsse. Es entspann sich nun ein erbittertes Handgemenge. Einem Burschen gelang es, zu entfliehen. Auf der Gasse schoß Zugsführer Beran auf ihn und der Flüchtige, es war der von seinem Truppenkörper entflohene Alois Graczoll brach tot zusammen.

Im Schanklokal wehrte sich Kucera verzweifelt gegen seine Verhaftung und man sah sofort, daß er zur Abwehr einen Revolver aus der Tasche gezogen hatte. Dem Oberwachtmann Kadane glückte es, die rechte Hand des Kucera festzuhalten, in der er den großen Armeerevolver hielt. Trotzdem gelang es Kucera, noch einige Schüsse abzugeben. Eine Kugel ging durch den Mantel und die Bluse Kadanes, ohne ihn zu verletzen. Endlich gelang es Kadane, den Kucera zu Boden zu ringen. Da fiel abermals ein Schuß und die Kugel ging in nächster Nähe an dem Kopfe des Wachmannes vorüber in die Wand. Jetzt stürzte sich Koporal Resnizek auf Kucera. Er wurde bei dem Ringen durch zwei Schüsse an der Hand verletzt. Inspektor Pawlik, der gleichfalls eingegriffen hatte, erhielt bei dem Kampf einen Schuß, der durch dei Achselhöhle ging, den Brustraum druchbohrte und die Lunge verletzte. Auch die mit Kucera im Gasthause gewesenen Markthelfer Josef Weber sowie Graczoll hatten Revolver, aber niemand hat gesehen, daß Weber geschossen hat und Graczoll war sofort nach Eintreten der Patroulle geflüchtet. Auch war der Revolver, den Graczoll getragen hat, nur mit blinden Patronen geladen. Der vierte der Burschen, der Militärflüchtling Leopold Schachinger, hatte keine Waffe getragen.

Gestern war Josef Kucxera vor dem Schwurgericht wegen Mordes angeklagt. Er ist 23 Jahre alt und oft bestraft. Er war auch in der Zwangsarbeitsanstalt in Korneuburg. Meist trieb er sich mit Deserteuren umher und als am 23. Jänner d. J. sein Bruder Leopold Kucera bei der Verhaftung auf einen Wachmann schoß, war nicht nur der Josef, sondern auch der berüchtigte Breitwieser in seiner Gesellschaft. Kucera hatte, als er im Gasthaus Kothbauer festgenommen wurde, Einbruchswerkzeuge sowie einen zehnschüssigen Offiziersrevolver bei sich, aus dem er zweifellos die Schüsse gegen die Wachmannschaft abgegeben hat.

Die Anklageschrift erklärt: Im Bewußtsein, daß er der Bruder der berüchtigten Einbrecher Karl und Leopold Kucera sei, daß er selbst als gewalttätiger Dieb bekannt ist, daß er mit dem lange gesuchten Breitwieser verkehre und in Gesellschaft zweier Militärflüchtlinge war, wußte er seine Festnahme als sehr gefährlich betrachten und bestrebt sein, seine Verhaftung zu verhindern. Als er dann seinen Freund Graczoll zum Widerstand entschlossen sah, mochten die letzten Hemmungen gefallen sein und er machte, dem Beispiel Breitwiesers und seines Bruder folgend, von der Waffe Gebrauch, um durch Ermordung der Wache seine Freiheit zu erzwingen.

Der Angeklagte gab an, er sei betrunken gewesen und könne sich an nichts erinnern. - Vorsitzender Landesgerichsrat Dr. Kämpf: Woher hatten Sie den Revolver und die Einbruchswerkzeuge? - Angekl.: Den Revolver hat mir der Graczoll zum Aufheben gegeben, die Sperrhaken muß mir im Gasthause wer zugesteckt haben, weil ich sie früher nicht gehabt habe. - Vors.: Haben Sie geschossen, als die Wache Sie visitiert hat? - Angekl.: Ich weiß von gar nichts. Ich bin erst im Spital wieder zu mir gekommen, weil ich bei der Rauferei auch angeschossen worden bin. - Die Zeugen geben an, daß sich der ganze Vorfall sehr rasch abgespielt habe, doch sei die Darstellung der Anklageschrift richtig, zweifellos habe Kucera einigemal geschossen, um sich die Wachorgane vom Leibe zu halten. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten des Mordversuchs und des unbefugten Waffentragens einstimmig schuldig. Er wurde dann zu neun Jahren schweren Kerkers verurteilt.

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